Juristische Begründung einer Abstimmung zu einem Ausführungsgesetz

Juristische Begründung einer Abstimmung zu einem Ausführungsgesetz für Volksgesetzgebung auf Bundesebene

Deutschland ist das einzige Land in der EU, in dem bisher kein Referendum auf Bundesebene
stattgefunden hat. Auf Landes- und kommunaler Ebene gibt es in allen Bundesländern die
Möglichkeit zu Volksbegehren und Volksentscheiden. Nur auf Bundesebene ist dies immer
noch nicht möglich, obwohl Meinungsumfragen seit Jahren belegen, dass die Mehrheit der
Bürger und Bürgerinnen ein Mitspracherecht wünscht und bei wichtigen Fragen selbst
entscheiden will.

Bei der Wiedervereinigung wurde vereinbart, dass die Volksgesetzgebung endlich auch auf Bundesebene eingeführt wird. Die verhandelnden Parteien hatten sich jedoch darauf geeinigt, dass das dazu notwendige Ausführungsgesetz nur dann geschaffen wird, wenn das Grundgesetz mit Zweidrittelmehrheit zuerst für die Volksgesetzgebung geändert wird, obwohl die Volksgesetzgebung auf Bundesebene im Artikel 20 Grundgesetz explizit erwähnt ist. Alle Versuche der zwei Parteien, SPD und DIE LINKE, zum Erlass eines Ausführungsgesetzes für die Volksgesetzgebung auf Bundesebene sind wegen der unter den Parteien festgelegten Zweidrittelmehrheit immer wieder gescheitert. Die beiden Parteien hatten sehr gute Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht.

Die Auffassung, dass es zur Einführung der Volksgesetzgebung auf Bundesebene keiner Grundgesetzänderung, sondern nur eines Ausführungsgesetzes bedarf, ist laut mehrerer Juristen vertretbar. Beide Auffassungen werden in der rechtswissenschaftlichen Literatur vertreten. Dass das Grundgesetz durch die Einführung der Volksgesetzgebung einige Änderungen braucht, ist eine Tatsache. Diese notwendigen Änderungen sind jedoch nicht die Voraussetzung für den Erlass eines Ausführungsgesetzes zur Volksgesetzgebung, der automatisch eine Anpassung des Grundgesetzes nach sich ziehen wird.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Lissabon-Urteil von 2009 zwar bestätigt, dass das Grundgesetz durch die Einführung der Volksgesetzgebung geändert werden muss, aber es hat nicht festgelegt, dass der Erlass eines Ausführungsgesetzes Grundgesetzänderungen als Voraussetzung braucht: „In einer Demokratie muss das Volk Regierung und Gesetzgebung in freier und gleicher Wahl bestimmen können. Dieser Kernbestand kann ergänzt sein durch plebiszitäre Abstimmungen in Sachfragen, die auch in Deutschland durch Änderung des Grundgesetzes ermöglicht werden könnten.“

An höchst prominenter Stelle steht die Volksabstimmung im Grundgesetz und sie darf selbst durch Grundgesetzänderung nicht abgeschafft werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen keinen Zweifel daran gelassen, dass das Grundgesetz kein Verbot von Volksabstimmungen enthält. Die beiden früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Papier und auch Prof. Voßkuhle, haben die prinzipielle “Offenheit” des Grundgesetzes für plebiszitäre Elemente immer wieder hervorgehoben.

Die verfassungsrechtlichen Fragen zu klären, lässt sich daher am ehesten dadurch erreichen,
dass man den Weg einer Volksabstimmung gestützt auf ein entsprechendes Ausführungsgesetz geht. Das Volk ist schließlich das oberste Verfassungsorgan („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Die Staatsgewalt wird vom Volk und durch weitere Organe (Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung) ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 S.2 GG), die also neben dem Volk als Verfassungsorgan existieren und nicht anstelle oder für das Volk.

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